Die Entstehung eines Textes

Die Anleitung, die sagt, wie ein Song gut aufgebaut ist bzw. erfolgreich wird, gibt es wie gesagt nicht in dem Sinne. Denn wer entscheidet schon was gut ist? – Musik ist eine Form von Kunst und da gibt es nun mal unterschiedliche Geschmäcker.

Es gibt allerdings schon ein paar Punkte und Methoden, mit denen man das Erarbeiten eines Songtextes einfacher gestalten kann. Bereits im Schreibprozess kann man seine Notizen auf ihr Potential überprüfen, wodurch das Endergebnis mehr Chance hat, die breite Mehrheit zu erreichen bzw. damit von vielen Zuhörern als 'gut' bezeichnet zu werden. Die Herangehensweise möchte ich nun im Folgenden erklären.

Ideenfindung

  • Ideen sammeln: Zu Beginn ist es gut alle Ideen zu sammeln worüber man schreiben möchte, bzw. könnte[1]. Nachdem man sein Thema gefunden hat, schreibt man am besten erst einmal alles auf, was einem zu diesem bestimmten Thema einfällt. Und zwar wirklich alles, ohne diese Ideen zu bewerten, geschweige denn sie auszuschließen. Sonst schließt man möglicherweise genau die Idee aus, die man später doch für eine Songzeile verwenden möchte. Außerdem besteht die Gefahr, dass man sich mit den Überlegungen aufhält, ob die Idee passen könnte oder nicht, was zusätzlich den Ideenfluss bremst.
  • Ideen überprüfen: Im nächsten Schritt gilt es zu überprüfen, ob die notierten Punkte überhaupt zum Thema passen (Jetzt ist die zuvor unerwünschte Überlegung gewünscht!). Die Punkte und Ideen, die nicht mit dem Thema bzw. dem Grundgefühl des Songs zusammenpassen werden raus gestrichen.

 

[1] Quellen für folgenden Kapitelinhalt, wenn nicht anders angegeben: Boraud, Ilona. Songwriting Workshop. Stattgefunden am 1.12.2019; sowie: Jeske, Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019

"Be about one thing and one thing only" (Zitat: Pat Pattison)

  • Das ist ganz wichtig: sich auf ein einziges Thema ein Grundgefühl festzulegen und dieses auch voll und ganz durchzuziehen. Kommen mehr Themen bzw. Grundgefühle in einem Song vor, läuft er Gefahr unverständlich und unübersichtlich zu werden.
  • Grundgefühl in einem, max. zwei Sätzen notieren: Indem man das Gefühl, bzw. die Handlung in einem oder maximal zwei Sätzen aufschreibt, kann man super überprüfen, ob man sich für das eine Thema entschieden hat[1]. Diesen Satz kann man mit allen Stichpunkten vergleichen und dann sieht man, ob sie zueinander passen.

 

[1] Quellen für gesamtes Kapitel, wenn nicht anders angegeben: Boraud, Ilona. Songwriting Workshop. Stattgefunden am 1.12.2019; sowie: Jeske, Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019

"Kill your darlings"

  • Das klingt auf den ersten Blick vielleicht etwas hart, aber im Endeffekt besagt das Sprichwort, alle Ideen, die einem gefallen, jedoch nicht zum Thema passen raus zu streichen und nicht zu verwenden. Ansonsten ist man wieder an dem Punkt angelangt, dass es nicht mehr um ein Thema, bzw. ein Grundgefühl geht.

Ausarbeitung

Bevor man mit der Ausformulierung der Songzeilen beginnt, ist es sinnvoll sich einen Songfahrplan zu erstellen.

Warum, zeigt dieser Vergleich sehr gut:

„Wenn Sie eine Reise beginnen, würden Sie nur im Ausnahmefall in einen Zug steigen, dessen Ziel Sie nicht kennen. Auch ein Lied ist eine Reise“[1]

Mit einem Songfahrplan meidet man also, dass man während des Schreibens feststellt, dass z. B. die Strophe, so in ihrer Form nicht verwendbar ist und man sie lieber neu schreiben sollte. Man kann im vornerein seinen Songtext (noch in Form von Stichpunkten) auf sein Potential überprüfen, ohne auch nur eine einzige Zeile schreiben zu müssen. Indem man seinen Text mit einem Songfahrplan strukturiert, merkt man ob die notierten Ideen sinnvoll kombinierbar sind. Hat man erst einmal eine sinnvolle Struktur (Songfahrplan) und setzt diese beim Schreiben auch um, so wird der Text am Ende auch übersichtlich und gut verständlich sein.

Songfahrplan erstellen: Man schreibt also auf, um was es in den jeweiligen Abschnitten des Songs gehen soll. Am besten mit der Hookline und dem Refrain beginnend, denen die Strophen, sowie eventuell die Bridge und/oder der Prechorus folgen.

 

[1] Jeske, Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019, S. 60

"Show don’t tell"

  • Beim Erzeugen von Bildern und Emotionen, passiert etwas. → Die Handlung bleibt nicht stehen. Und genau das ist es, was einen Song interessant macht, was den Zuhörer packt – er muss sich keine passenden Bilder ausmalen, was Zeit braucht und wodurch er den Anschluss verlieren könnte[1]. Durch die gegebenen Bilder sind bestimmte Dinge von Anfang an festgelegt, die Emotionen sowie Fragen hervorrufen können.
  • Die meisten Verben bringen Bewegung in die Handlung. Besonders die Verben, die die Sinne ansprechen, wie z. B. riechen, schmecken, hören, fühlen, sehen. Sie erzeugen Bilder und Emotionen beim Zuhörer.
    Adjektive hingegen sind statisch. Sie beschreiben kein Geschehen, sondern einen Zustand. Mit anderen Worten: Sie definieren das Gefühl der Situation – die Emotion, wodurch dem Zuhörer die Möglichkeit genommen wird, diese selbst zu entwickeln[2].
  • Des Weiteren ist es überflüssig die Gefühle und Gegebenheiten, die sich aus dem Text ergeben, zu wiederholen. Das zieht ihn nur und lässt ihn langweilig werden.
  • Um Emotionen und Bilder zu erschaffen können auch Metaphern, Vergleiche, sowie Beispiele genutzt werden.

Hierzu ein Beispiel: Die eben aufgeführten Punkte werden dabei beachtet:

„Wenn Sie in einer Szene beobachten, wie ein Mädchen auf einer Landstraße auf ein einsames Haus am Horizont zugeht, während sich hinter ihr schwarze Wolken Gewitterwolken ballen, dann empfinden wir wahrscheinlich so etwas wie ‚Hoffentlich schafft es die Kleine noch, bevor das Unwetter sie erwischt‘.“[3] – Das ist eine Empfindung, ein Bauchgefühl[4].

Hier ist jedem klar, dass das Wetter bedrohlich ist ("Gewitterwolken ballen") und es nicht gut wäre, wenn es zu Gewittern beginnt, bevor das Mädchen das Haus erreicht. Dass die Lage bedrohlich ist, wird nicht so gesagt. Es gibt kein Adjektiv, das die Wolken beschreibt. "ballen" ist ein Verb, das durch seine Bildlichkeit, seinen Subtext, das Gefühl von 'Gefahr' vermittelt, zumindest in diesem Kontext. Das Gefühl der Bedrohlichkeit kommt also aus dem Ursprung des Bildes, das durch die Worte "Gewitterwolken ballen" entsteht.

Und die Frage die man sich wahrscheinlich als nächstes stellen würde, lautet: „Wird sie rechtzeitig am Haus ankommen?“ – wird auch nicht ausformuliert. → Die Gefühle werden nicht benannt, sie entstehen durch den Text[5].

 

[1] Quellen für gesamtes Kapitel, wenn nicht anders angegeben: Boraud, Ilona. Songwriting Workshop. Stattgefunden am 1.12.2019; sowie: Jeske, Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019

[2] Ein Buch lebt auch von der eigenen Fantasie und der Freiheit diese auszuleben.

[3]  Jeske,Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019, S. 181f

[4] Vgl. Jeske,Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019, S. 182

[5] Quellen für gesamtes Kapitel, wenn nicht anders angegeben: Boraud, Ilona. Songwriting Workshop. Stattgefunden am 1.12.2019; sowie: Jeske, Edith/Reiz, Tobias: Handbuch für Songtexter, dritte Auflage, Berlin c. 2011/2019

Zusammenfassung der wichtigen Punkte:

  • ein Grundgefühl und kein anderes.
  • es sollte etwas passieren, sich etwas abspielen
  • Emotionen und Gefühle entstehen lassen, nicht erklären
    • bildhafte Sprache: Verben (wenn es geht, Verben, die die Sinne ansprechen), keine Adjektive
    • Bilder, Metaphern und Beispiele

Mit dem Schreiben beginnen: Nun kann die Ausformulierung beginnen. Es ist stark zu empfehlen mit der Hookline (kurz: Hook) anzufangen, im Anschluss kommt der Refrain und dann folgen die Strophen und je nach dem auch die Brigde und der Prechorus. Die Reihenfolge bewirkt, dass sich das essentielle Gefühl in der Hookline und dem Refrain befindet.